Die letztwillige Verfügung

Artikel aktualisiert am Mittwoch, 30. November 2023

Wie erfolgt die Regelung des Nachlasses für den Fall des Todes?

Gesetzliche Erbfolge vs. freie Testierfähigkeit?

 

Über das Schicksal der Rechte des Erblassers für den Fall des Todes im Allgemeinen:

Für all jene Rechte einer natürlichen Person, die für den Fall des Todes nicht (quasi) zeitgleich mit dem Erlöschen der Persönlichkeit des Verstorbenen (des Erblassers) enden, hat der Gesetzgeber nach dem Prinzip der Familienerbfolge klare Regelungen getroffen. Demnach soll „alles, was vererbt werden kann“ (rechtstechnischer Begriff „Verlassenschaft“ bzw. früher auch „Nachlass“) der Familie des Verstorbenen bzw. den vom Gesetz bestimmten Erben zukommen.

Grundsätzlich kann ein Erblasser für den Fall seines Todes über das Schicksal seiner Rechte durch rechtsgeschäftliche Verfügung(en) zu seinen Lebzeiten selbst bestimmen. Für den vorgenannten Fall hat der Gesetzgeber potentiellen Erblassern zwei Möglichkeiten eingeräumt, nämlich den Erbvertrag sowie die letztwillige Verfügung. Damit soll – im Sinne des Prinzips der Testierfreiheit – gewährleistet werden, dass ein Erblasser für den Fall seines Todes entsprechende Anordnungen treffen kann, was mit seinem gesamten Vermögen oder auch nur einen Teil davon im Konkreten zu geschehen hat.

Die gesetzliche Erbfolge tritt hingegen im Konkreten dann ein, wenn der Erblasser keine gültige Erklärung seines letzten Willens über sein gesamtes Vermögen oder eines Teiles davon hinterlassen, keinen Erben und keinen Ersatzerben bestimmt hat oder die eingesetzten Erben die Verlassenschaft nicht annehmen können oder wollen und auch kein Fall der Vererbung des Erbrechts oder Anwachsung des Erbteils eines Erben eintritt.[1]

[1] Vgl. in diesem Zusammenhang insbesondere §§ 727, 728, 737, 560 ABGB.

 

Zu den Gültigkeitserfordernissen einer letztwilligen Verfügung:

Um die Gültigkeit der letztwilligen Verfügung zu gewährleisten, ist das Vorliegen von Testierfähigkeit[2] und Testierwille (animus testandi)[3] erforderlich. Jedenfalls dürfen keine Willensmängel[4] vorliegen. Wichtig ist, dass der „wahre Wille“ des Erblassers festgehalten wird. Darüber hinaus ist es erforderlich, dass Möglichkeit und Erlaubtheit der angestrebten letztwilligen Verfügung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen (des ABGB) gegeben sind sowie die vom Gesetzgeber vorgesehenen Formvorschriften eingehalten werden.

[2] Vgl. § 566 ABGB, Testierfähigkeit.

[3] Vgl. §§ 564ff ABGB, II. Anforderungen an den letzten Willen.

[4] Vgl. § 565 ABGB, Bestimmtheit und Mangelfreiheit.

 

Das Testament:

Eine letztwillige Verfügung, die der Erblasser – für den Fall seines Todes – so trifft, dass er eine (oder mehrere) konkrete natürliche oder juristische Person(en) als Erbe(en) einsetzt, wird als sog. Testament bezeichnet. Dem Erblasser steht es zudem frei, im Hinblick auf den Zeitpunkt seines Todes bzw. den Zeitraum danach in seinem Testament weitere Anordnungen zu treffen (bspw. die Anordnung von aufschiebenden oder auflösenden Bedingungen, Befristungen und Auflagen).

Aufgrund der besonderen Relevanz der Folgen von letztwilligen Verfügungen hat der österreichische Gesetzgeber ganz konkrete Formvorschriften vorgesehen, welche vom Erblasser zwingend einzuhalten sind, damit die Gültigkeit seiner letztwilligen Verfügung(en) bzw. seines Testaments gewährleistet ist. ACHTUNG: Jeder Verstoß gegen die gesetzlichen Formerfordernisse des Testaments führt zur Ungültigkeit der letztwilligen Verfügung(en).

Im Nachfolgenden werden die zwei gebräuchlichsten Testamentsformen (das eigenhändige und das fremdhändige Testament) näher geschildert und die Übrigen (das Nottestament, das öffentliche Testament, das gemeinschaftliche Testament und das Kodizill) übersichtshalber angeführt:

 

Das eigenhändige (holographe) Testament[5]:

Die gebräuchlichste Form von Testamenten stellt das eigenhändige Testament dar. Zu seiner Gültigkeit (insbesondere zwecks Sicherung der Echtheit und Individualisierbarkeit) verlangt das österreichische Gesetz vom Erblasser, dass seine letztwillige Verfügung bzw. der entsprechende Text (1) eigenhändig (also handschriftlich = mit eigener Hand) geschrieben wird. Fremde Hilfe beim Niederschreiben des Textes, beispielsweise durch bloßes Unterstützen einer zittrigen Schreibhand, schadet im Hinblick auf die Formgültigkeit nicht, dies solange die Eigenart der Schriftzüge des Erblassers nicht wesentlich beeinträchtigt wird. Der Text kann in jeder beliebigen Sprache abgefasst sein, muss allerdings jedenfalls leserlich sein. Nicht zulässig ist mit Blick auf das Erfordernis der Eigenhändigkeit, dass der Text mit Hilfe einer Maschine (z.B. Schreibmaschine, Computer usw.) verfasst wird. Am Schluss des Textes bzw. der letztwilligen Verfügung hat der Erblasser (2) eigenhändig (also handschriftlich) zu unterschreiben. WICHTIG ist in diesem Zusammenhang, dass der Erblasser seine Unterschrift auf das Testament selbst, nämlich – wie bereits an anderer Stelle festgehalten – unter die von ihm verfasste letztwillige(n) Verfügung(en) setzt.[6] Ort und Datum sind ratsam, stellen allerdings keine Gültigkeitsvoraussetzungen dar.

[5] Vgl. § 578 ABGB, eigenhändige Verfügung.

[6] Vgl. OGH 2 Ob 112/21s, Unterschrift des Testators im räumlichen Zusammenhang am Ende des Textes.

 

Das fremdhändigeTestament[7]:

Dem Erblasser steht auch die Möglichkeit zu, seine letztwillige Verfügung in der Form eines fremdhändigen Testaments zu treffen. Im Wesentlichen besteht ein solches fremdhändiges Testament aus (1) dem Text der letztwilligen Verfügung(en) des Erblassers (also dem von Hand eines Dritten in dessen Handschrift oder EDV-unterstützt oder vom Testator selbst EDV-unterstützt verfassten Text), (2) seiner eigenhändigen Unterschrift, welche er unter seine letztwillige(n) Verfügung(en) zu setzen hat samt (3) einem handschriftlichen Zusatz bzw. seiner Erklärung (des Erblassers) „dies ist mein letzter Wille“ und dies (4) in Gegenwart von drei gleichzeitig anwesenden Zeugen[8], die fähig[9] sind, insbesondere unbefangen[10], und deren Identität aus der Urkunde hervorgeht[11], samt (5) deren Unterschrift und eigenhändiger (also handschriftlicher) Zusatzerklärung „als erbetener und gleichzeitig anwesender Testamentszeuge“ (bspw.) auf der Urkunde. Der maschinell bzw. durch fremde Hand erstellte Text muss jedenfalls leserlich und in einer verständlichen Sprache geschrieben werden. ACHTUNG: Während der Errichtung des Testamentes ist es erforderlich, dass der Erblasser als auch die von ihm herbeigezogenen Zeugen ununterbrochen anwesend sind, also sowohl bei der Leistung der Unterschrift durch den Erblasser als auch beim Verfassen seiner (vorgenannten) schriftlichen eigenhändigen (also handschriftlichen)[12] Erklärung.

[7] Vgl. § 579 ABGB, fremdhändige Verfügung.

[8] Vgl. OGH 6 Ob 67/11p, Sprachverständnis der Zeugen.

[9] Vgl. OGH 2 Ob 48/22s, Fähigkeit der Zeugen zum sinnerfassenden Abgleich des Vorgelesenen mit der zu unterfertigenden Urkunde.

[10] Vgl. OGH 2 Ob 84/20x, Befangenheit der Zeugen; OGH 2 Ob 78/21s, Befangenheit der Zeugen bei Widerruf des Testaments.

[11] Vgl. OGH 2 Ob 86/21t, Identifizierbarkeit der Zeugen stets im Einzelfall zu prüfen; OGH 2 Ob 139/20k, Zur Identifizierbarkeit der Zeugen bei (un)lesbarer Unterschrift ebenso vgl. OGH 2 Ob 2/22s.

[12] Vgl. OGH 2 Ob 35/20s, Handschriftlichkeit des Zeugenzusatzes; OGH 2 Ob 12/20h, Fehlender handschriftlicher Zeugenzusatz bei 2 von 3 Zeugen.

 

Hinweis 1: Einem jeden Erblasser ist zu empfehlen, das von ihm eigenhändig oder fremdhändig verfasste Testament, bei einem Notar oder Rechtsanwalt seiner Wahl – gegen eine entsprechend geringe Gebühr – zu hinterlegen und es im Österreichischen Zentralen Testamentsregister (ÖZTR) zu registrieren.

 

Exkurs 1: Zur Beschränkung der freien Testierfähigkeit/Pflichtteilsrecht:

Für den Fall, dass der Erblasser stirbt und eine rechtsgeschäftliche Verfügung (letztwillige Verfügung oder Erbvertrag) getroffen hat, in welcher er – entweder bewusst, jedoch ohne dass ein im Gesetz vorgesehener Enterbungsgrund vorliegt, oder aber auch lediglich versehentlich – nicht seine nächsten Angehörigen bedacht hat, kommt einer Personen aus dem Kreis der Vorgenannten (Pflichtteilsberechtigte/Noterben) per legem ein Mindestanteil am Nachlassvermögen (sog. Pflichtteil) zu.

 

Das Nottestament[13]:

Seit 1.1.2005 gibt es nur noch das Nottestament. Für den Fall, dass eine begründete („objektiv nachvollziehbare“) Gefahr droht bzw. zu befürchten ist[14], hat der österreichische Gesetzgeber für potentielle Erblasser Begünstigungen für die letztwillige Verfügung vorgesehen. Im Konkreten kann der Erblasser für den Fall der Todesgefahr oder des Verlustes seiner Testierfähigkeit[15], also bevor er auf andere Weise Testament errichten kann, seinen letzten Willen in Gegenwart von (nur) zwei Zeugen, die auch mündige Minderjährige sein können[16], und die durch übereinstimmende Aussagen diese letztwillige mündliche Verfügung bestätigen müssen,  fremdhändig oder mündlich erklären[17].

Wiewohl ein solches Nottestament bei gültiger Errichtung dieselbe Kraft wie ein eigenhändig oder fremdhändig errichtetes Testament entfalten kann und damit einhergehend auch im Stande ist, frühere Verfügungen des Erblassers aufzuheben, ist zu beachten, dass ein solches Nottestament per legem seine Gültigkeit verliert, wenn nach Wegfall der Gefahr drei Monate verstreichen.

[13] Vgl. § 584 ABGB.

[14] Vgl. OGH-E vom 26.7.2011, 1 Ob 102/11y.

[15] Vgl. OGH 4 Ob 27/07k, altersbedingte Gebrechlichkeit keine Gefahr iSd § 584 ABGB; OGH 1 Ob 102/11y, Testamentserrichtung wäre an (nur) einem Tag noch möglich gewesen; OGH 3 Ob 174/11a, eigenhändiges Testament bei drohendem Schlaganfall noch möglich.

[16] Vgl. § 584 ABGB, Nottestament.

[17] Vgl. § 584 ABGB, Nottestament.

Das öffentliche Testament:

Potentielle Erblasser haben auch die Möglichkeit vor Gericht oder einem Notar ihres Vertrauens durch mündliche Erklärung oder durch Übergabe einer Urkunde ihren letzten Willen zu manifestieren.

 

Das gemeinschaftliche Testament[18]:

In ein gemeinschaftliches Testament setzen zwei Personen einander oder dritte Personen zu Erben ein[19]. Die Errichtung eines rechtsgültigen gemeinschaftlichen Testaments ist nur von Ehegatten oder von Brautleuten oder von eingetragenen Partnern möglich. Letztwillige Anordnungen in einem gemeinschaftlich errichteten Testament können von jedem Teil der beteiligten Erblasser (des errichtenden Testaments) jeweils einseitig frei widerrufen werden. Gemeinsame letztwillige Verfügungen von Nicht-Ehegatten sind jedenfalls ungültig.[20]

[18] Vgl. § 586 ABGB, gemeinschaftliche letztwillige Verfügungen.

[19] Vgl. § 586 ABGB sowie OGH-E 29.3.2006, 7 Ob 292/05z.

[20] Vgl. OGH-E vom 6.10.1982, 6 Ob 762/82.

 

Exkurs 2: Die sonstige letztwillige Verfügung (früherer Begriff: „Kodizill“):

Eine sonstige letztwillige Verfügung in der Form eines sog. „negativen Testaments“ liegt dann vor, wenn der Erblasser niemanden als seinen Erben über seinen Nachlass eingesetzt, jedoch in seiner letztwilligen Verfügung(en) allfällige gesetzliche Erben ganz oder teilweise ausdrücklich ausgeschlossen hat.

 

Hinweis 2: Ganz grundsätzlich ist an dieser Stelle zu empfehlen, dass ein Erblasser mit seinem letzten Willen nicht bis zum allerletzten Moment zuwarten, sondern bei allfälligen Fragen bzw. Unklarheiten sich zeitnahe mit einem Notar oder Rechtsanwalt seiner Wahl in Verbindung setzen sollte.