- Wer ist unterhaltspflichtig und wie hoch ist der Kindesunterhalt?
- Wann beginnt und endet die Unterhaltspflicht?
- Naturalunterhalt vs. Geldunterhalt?
Der Anspruch eines (ehelichen oder unehelichen) Kindes richtet sich grundsätzlich gegen seine Eltern. Dabei haben beide Elternteile zur Deckung der – ihren Lebensverhältnisse angemessene – Bedürfnisse des Kindes unter Berücksichtigung seiner Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten „nach ihren Kräften“ anteilig beizutragen, wobei hier die sogenannte Anspannungstheorie zum Tragen kommt, wonach jeder Elternteil seine Möglichkeiten ausschöpfen muss, um dieser Verpflichtung nachzukommen. Eine Solidarhaftung der Eltern besteht jedoch nicht.
Jeder Elternteil hat nicht nur sein Einkommen, sondern auch ihm zukommende Unterhaltsleistungen (zB Ehegattenunterhalt) oder den Stamm seines Vermögens heranzuziehen. Auch hat jeder Elternteil bei seiner Berufswahl sowie bei der Gestaltung seiner Lebensverhältnisse darauf Bedacht zu nehmen, dass die Erbringung des Kindesunterhaltes nicht erschwert wird. Kann ein Elternteil nur wenig oder gar nichts beitragen, so hat der andere – soweit es ihm wiederum möglich ist – umso mehr aufzubringen, d.h. seine Quote erhöht sich. Ein fixes Quotenverhältnis existiert jedoch nicht. Zu beachten ist aber, dass der Elternteil, der das Kind im eigenen Haushalt betreut, dadurch seinen gesamten Unterhaltsanteil leistet. Dies gilt hingegen nicht, wenn der andere Elternteil entweder nicht ausreichend leistungsfähig ist oder mehr leisten müsste, als es seinen eigenen Lebensverhältnissen angemessen wäre. In einem solchen Fall ist der betreuende Elternteil über die Betreuung hinaus zu weiteren Unterhaltsleistungen verpflichtet.
Für den Fall, dass beide Elternteile zusammen nicht in der Lage sind, die angemessenen Bedürfnisse des Kindes zu decken, haben in letzter Konsequenz die Großeltern den fehlenden Teil aufzubringen. Dies soweit es in ihren Kräften steht und sofern beide Elternteile unfähig sind, den Kindesunterhalt aufzubringen.
Die Unterhaltspflicht eines Elternteils kann durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung festgelegt werden. Für den Fall, dass sie (auch) in diesem Fall nicht erfüllt wird, kann das Kind – weitere – Hilfe des Staates in Anspruch nehmen und bei Vorliegen aller Voraussetzungen beim jeweils zuständigen Bezirksgericht einen Antrag auf Unterhaltsvorschuss stellen.
Beginn und Ende der Unterhaltspflicht
Die Unterhaltspflicht beginnt mit der Geburt des Kindes (im Falle einer rechtswirksamen Adoption mit dem Abschluss des Adoptionsvertrages) und erlischt mit dem Tod des Kindes. Der Unterhaltsanspruch des Kindes erlischt auch mit Erreichen der Selbsterhaltungsfähigkeit. Dies setzt jedoch ein fortgeschrittenes Alter des Kindes voraus. Ein einmal erloschener Unterhaltsanspruch kann jedoch wieder aufleben, wenn das Kind nicht mehr in der Lage ist, sich selbst zu erhalten.
Naturalunterhalt
Für den Fall, dass das Kind im gleichen Haushalt wie seine Eltern lebt, hat das Kind einen Anspruch auf Naturalunterhalt, welcher durch Wohnversorgung, die Beistellung der notwendigen Nahrung und Bekleidung, des Schulmaterials uvm. geleistet wird. Dem Naturalunterhalt ist auch ein dem Kindesalter und den elterlichen Lebensverhältnissen angemessenes Taschengeld für die individuelle Befriedigung höchstpersönlicher Bedürfnisse zuzuordnen.
Geldunterhalt
Für den Fall, dass das Kind mit einem der beiden Elternteile nicht im gemeinsamen Haushalt lebt oder kommt ein Elternteil seiner Naturalunterhaltspflicht nicht nach, hat dieser Elternteil zur Gänze Geldunterhalt zu leisten.
Unterhaltsbedarf (Allgemeinbedarf, Regelbedarf, Prozentmethode, Sonderbedarf)
Im Gesetz ist nicht ausdrücklich festgelegt, wie viel Unterhalt ein Kind bekommen soll bzw. wie der Unterhalt zu berechnen ist. Aus diesem Grund haben sich Unterhaltsberechtigte in der Praxis an einer breit entwickelten Judikatur in Unterhaltsverfahren zu orientieren, welche in diesem Zusammenhang von besonderer Relevanz ist.
Grundsätzlich gilt, dass die Höhe des zu deckenden Unterhaltsbedarfs durch seine Angemessenheit bestimmt wird. Es handelt sich dabei um einen variablen Parameter, nach welchem sich sowohl die Unter- als auch Obergrenze richtet. Eine konkrete Höhe des Unterhalts wird letztendlich in einem mehrstufigen Verfahren einzelfallbezogen, insbesondere unter Bedachtnahme auf die vorherrschenden Sachverhaltsumstände, ermittelt.
Allgemeinbedarf
Der Allgemeinbedarf umfasst die bei jedem Kind regelmäßig vorhandenen Bedarfsgruppen (Betreuung, Wohnen, Essen u.a.).
Regelbedarf
In ständiger Rechtsprechung wurden für die Bemessung des Unterhalts bestimmte fixe Anhaltspunkte in Bezug auf Mindestunterhalt geschaffen. Der Regelbedarf fungiert in der Praxis als Kontrollgröße und ist nicht als fixe Mindest- oder Höchstgrenze zu verstehen. Er gibt an, welche Verbrauchsausgaben in einer Durchschnittsfamilie bestehend aus zwei Kindern und zwei Erwachsenen für eine bestimmte Altersstufe durchschnittlich getätigt werden.
Die Regel- oder Durchschnittsbedarfssätze werden durch eine amtlich vorgenommene Konsumerhebung (im Konkreten anhand des VPI 1966) errechnet und jährlich vom Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien verlautbart; zuletzt (Stand: Juli 2017) wie folgt:
Kindesalter | 0 – 3 | 3,01 – 6 | 6,01 – 10 | 10,01 – 15 | 15,01 – 19 | 19,01 – 28 |
EUR | 204,00 | 262,00 | 337,00 | 385,00 | 454,00 | 569,00 |
Vgl. hiezu aktuell: http://www.jugendwohlfahrt.at/rs_regelbedarf.php
Zu beachten ist, dass diese Regelbedarfssätze dann zur Anwendung kommen, wenn weder eine behördliche Festlegung der Unterhaltsleistungen noch ein schriftlicher Vertrag zu Gunsten des Kindes vorliegt. Weiters ist in der Praxis zu beachten, dass ein Unterhaltsbegehren vom Gericht umso genauer geprüft und die Unterhaltsentscheidung umso eingehender begründet wird, je weiter die konkrete Unterhaltshöhe vom Regelbedarf abweicht.
Prozentmethode/Prozentsätze
Die Ermittlung des Kindesunterhaltes unter Heranziehung einer Prozentkomponente bzw. eines prozentuellen Unterhaltssatzes richtet sich nach den konkreten Lebensverhältnissen der Eltern, d.h. der notwendige Restbedarf an Kindesunterhalt wird nach Prozentsätzen von der Unterhaltsbemessungsgrundlage des unterhaltspflichtigen Elternteils ermittelt.
Kindesalter | 0 – 3 | 3,01 – 6 | 6,01 – 10 | 10,01 – 15 | 15,01 – 19 | 19,01 – 28 |
Regelbedarfssatz | 16 % | 16 % | 18 % | 20 % | 22 % | 22 % |
Die herrschende Praxis des Obersten Gerichtshofs (OGH) orientiert sich in Durchschnittsfällen (wieder) an die frühere Rechtsprechung der Instanzgerichte, zumal eine Berechnung nach Prozentsätzen aus Gründen der Flexibilität, Verteilungsgleichheit, Gleichbehandlung u.a. vorteilhafter bzw. sachgerechter ist.
Sonderbedarf
Jener Bedarf, den ein Kind ausnahmsweise aufgrund individueller und außergewöhnlicher Umstände zusätzlich zum Allgemeinbedarf hat, macht den sogenannten Sonderbedarf aus. Ein solcher Sonderbedarf, der vom Unterhaltspflichtigen nur dann gedeckt werden muss, wenn er aus gerechtfertigten, in der Person des Kindes liegenden Gründen entstanden ist, hat den Kriterien der „Individualität, Außergewöhnlichkeit und Dringlichkeit“ zu entsprechen. Nachstehende vier Aufwendungsgruppen fallen darunter: Besondere Ausbildungskosten, Medizinische Sonderkosten, Kosten für außerhäusliche Betreuung des Kindes oder notwendige Rechtverfolgungskosten.
Unterhaltsbemessungsgrundlage
Auch diesbezüglich finden sich im Gesetzestext vage Anhaltspunkte. Ein Leitsatz, welcher sich jedoch in ständiger Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Berechnung der Unterhaltsbemessungsgrundlage bereits manifestiert hat, lautet wie folgt:
„Für das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen von (u.a.) selbständig Erwerbstätigen ist nicht der steuerliche Reingewinn auf Grundlage des Einkommenssteuerbescheides maßgebend, sondern der tatsächlich verbleibende Reingewinn, wie er sich aus den realen Einnahmen unter Abzug realer Betriebsausgaben sowie der Zahlungspflicht für einkommens- und betriebsgebundene Steuern und öffentliche Abgaben ergibt.“
Es ergibt sich also, dass eine tatsächliche Verfügbarkeit entscheidend ist, d.h. der Kindesunterhalt ist anhand des tatsächlich verfügbaren Nettoeinkommens des Unterhaltspflichtigen zu bemessen.
Bei ausschließlich unselbständigen Erwerbstätigen ist eine exakte Berechnung meist viel einfacher zu bewerkstelligen, da das Nettoeinkommen aus den Jahreslohnzetteln, die dem Wohnsitzfinanzamt vorliegen, leicht ersichtlich ist.
Bei selbständig Erwerbstätigen gestaltet sich die Berechnung der Bemessungsgrundlage in der Praxis eher schwieriger, zumal hier oftmals die steuerliche Gestaltungsmöglichkeit des selbständig erwerbstätigen Unterhaltsverpflichteten eine maßgebende Rolle trägt.
Letztendlich ist jedoch bei der Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage immer vom Verhalten einer Maßfigur eines treusorgenden Elternteils auszugehen. Im Konkreten heißt dies, dass es ist ausschlaggebend ist, welches Nettoeinkommen ein redlicher Elternteil, der im gemeinsamen Haushalt lebt und bei dem keine Unterhaltsstreitigkeiten gegeben sind, erwirtschaftet und mit seinem unterhaltsberechtigten Kind teilen würde.
Verminderung des Unterhaltsanspruches
Der Anspruch des Kindes auf Unterhalt vermindert sich, wenn der unterhaltspflichtige Elternteil weitere (gleichrangige) Unterhaltspflichten hat. Eine solche Verminderung richtet sich nach einem Abzug von Prozentpunkten vom maßgebenden Unterhaltsprozentsatz, so bspw.:
- 1 % für jedes weitere unterhaltsberechtigte Kind unter zehn Jahren;
- 2 % für jedes weitere unterhaltsberechtigte Kind über zehn Jahren;
- 0 bis 3 % für einen gesetzlich unterhaltsberechtigten (Ex-)Partner, gerichtet nach dessen Eigeneinkommen bzw. dem Grad der Unterhaltsbelastung.
Auch sind eigene Einkünfte des Kindes – so bspw. aus Erwerbstätigkeit oder Vermögen – in Abzug zu bringen, wobei der Stamm des Vermögens nicht heranzuziehen ist.
Auch bei Betreuungsleistungen des unterhaltspflichtigen Elternteils ist die Unterhaltspflicht zu vermindern. Bedauerlicherweise hat der Gesetzgeber den Umstand, wie sich erhebliche Betreuungsleistungen des unterhaltspflichtigen Elternteils auf dessen Geldunterhaltspflicht auswirken, nicht geregelt. Die höchstrichterliche Judikatur ist in Bezug auf diese Frage uneinheitlich, zumal die Bandbreite hier sehr groß ist. Entschied der OGH in seiner Entscheidung zu 6 Ob 182/02m noch, dass überhaupt keine Verminderung der Geldunterhaltsverpflichtung vorzunehmen ist, so ging er in einer zeitnahen Folgeentscheidung zu 3 Ob 222/02x von dieser Meinung wieder ab und legte fest, dass bei erbrachten Betreuungsleistungen im Ausmaß von 3/7 eine Reduktion des Geldunterhaltes des unterhaltspflichtigen Elternteils in Höhe von 4/7 vorzunehmen ist. In zwei weiteren Entscheidungen (nämlich zu 8 Ob 62/04g und 10 Ob 11/04x) judizierte der OGH, dass für einen (zusätzlichen) Besuchstag pro Woche die Geldunterhaltspflicht um 10 % zu reduzieren ist, wobei bei (annähernd) gleicher Betreuung beider Elternteile in der Praxis eine maximale Verminderung von 20 % möglich ist.
Unterhaltsstopp
Für den Fall, dass das unterhaltsrechtlich relevante Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen so hoch ist, dass sich bei Anwendung der Regelbedarfsätze ein derart hoher Unterhaltsanspruch des unterhaltsberechtigten Kindes ergeben, dass dies aus pädagogischer Sicht für das Kind bzw. Entwicklung nicht unbedenklich wäre, wurde in ständiger Rechtsprechung ein Unterhaltsstopp bzw. eine Luxusgrenze entwickelt, wonach der Unterhaltsanspruch in einem solchen Fall mit dem zwei- bis zweieinhalbfachen Regelbedarf zu begrenzen ist.
Umstandsklausel
Allen gesetzlichen Unterhaltspflichten, Unterhaltsvereinbarungen und gerichtlichen Unterhaltsvergleichen wohnt die sog. Umstandsklausel bei. Das bedeutet im Konkreten, dass eine wesentliche Änderung der Umstände eine nachträgliche Neufestsetzung des Kindesunterhalts ermöglicht, ungeachtet des Umstandes, dass eine Entscheidung über den Kindesunterhalt bereits in Rechtskraft erwachsen ist. Dies gilt auch für die Vergangenheit, längstens jedoch 3 Jahre zurück.
Eine relevante Umstandsänderung hat der OGH in nachstehenden Fällen festgestellt: Anstieg des Einkommens um Überstundenentgelt und sonstige Zulagen (vgl. 4 Ob 517/93), Einkommenssteigerung um mehr als 8 % bis 10 % (vgl. 8 Ob 75/10b), Einkommensminderung um mindestens 8 % bis 10 % (vgl. 6 Ob 2206/96x), Verstreichen eines längeren Zeitraumes seit der letzten gerichtlichen Unterhaltsfestsetzung (vgl. 9 Ob 44/14g), Hinzutreten oder Wegfall von Unterhaltspflichten (vgl. 2 Ob 541/94), altersbedingte Erhöhung der Bedürfnisse des Kindes (vgl. 1 Ob 534/93) uvm.